TAG 1 #DCHH17

am 28. April 2017 von Wolfgang Weiler

Was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert

Künstliche Intelligenz und Chatbots, die untereinander das optimal individualisierte Angebot für den User aushandeln, Testbesuche im Reiseziel mittels Virtual Reality, Ferienarchitektur aus dem 3-D-Drucker, autonome Lufttaxis als Erweiterung des Erlebnisraumes einer klassischen Reise, Roboter als Dienstleister.

In ihrer Keynote "Eine Reise in die Zukunft mit Robotern, künstlicher Intelligenz und Co." sorgte Anke Domscheit-Berg am Freitagabend für einen fachlich fundierten und emotional mitreißenden Auftakt.

Die 1968 in Premnitz (Havelland) geborene parteilose Politikerin ist Unternehmerin, Publizistin und Aktivistin. Das Interesse der früheren Microsoft-Deutschland Direktorin gilt besonders dem Thema Digitale Gesellschaft. Wie verändert die 3. Industrielle Revolution unser Leben? Was tun gegen den Überwachungsstaat? Was passiert mit den Arbeitsplätzen? Wie lassen sich Defizite in der Medienkompetenz überwinden?

Die 225 Teilnehmer des DestinationCamp bekamen faszinierende Fakten und Beispiele sowie mögliche Entwicklungen und Fehlentwicklungen zum Stand der Digitalisierung in verschiedenen Branchen aufgezeigt.

Virtuelle Reisen könnten laut Domscheit-Berg ein "begrüßenswertes Add-on zu herkömmlichen Reisen" sein - jedoch auch ein sinnvoller Ersatz, etwa wenn Geld oder Zeit für die echte Reise fehlt, wenn jemand aus ökologischen Gründen nicht reisen will, gesundheitlich eingeschränkt ist oder aus politischen Gründen nicht kann. Sie könnten allerdings auch zur dumpfen Flucht aus einem nicht bewältigten Alltag missbraucht werden.

Wer kontrolliert die Marktmacht der Datenmonopolisten? Wie diskriminierungsfrei sind automatisierte Entscheidungen, die lediglich auf Algorithmen beruhen? Wer verhindert, dass Daten missbraucht werden, wenn aus der Kumulation an sich harmloser Einzeldaten Persönlichkeitsprofile abgeleitet werden? "Es gibt keine unschuldigen Informationen. Mir jedenfalls ist unwohl, wenn ein Bot im Raum alles mithört", formulierte die Netzaktivistin.

Vor allem müssten Politik und Gesellschaft eine Antwort darauf finden, wie Menschen, deren Arbeit durch Maschinen oder Algorithmen ersetzt werden, ihr Leben gestalten sollen (und votierte nebenbei für das bedingungslose Grundeinkommen). Kreativität in der Lösung der komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen sei dringend gefragt:

Nicht alle arbeitslos gewordenen Taxifahrer können Drohnenflottenmanager werden, nicht alle Bauarbeiter 3D-Designer.

Sie ermunterte die Touristiker, auch die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Um nicht von den großen Datensammlern allein abhängig zu sein, könnten sich auch kleinere Destinationen zusammenschließen, die bei ihnen vorhandenen Daten selbst aufbereiten und Schnittstellen zu den Chatbots schaffen, mit denen die Bedürfnisse der Gäste bedient werden können.

"Es gibt absehbar kein Thema, das so starke gesellschaftliche Umbrüche mit sich bringt wie die Digitalisierung", befand Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Martin (SPD). Die Politik müsse noch "sehr viel mehr über Datenschutz diskutieren." Die Digitalisierung könne jedoch eine Bereicherung für das klassische Urlaubserlebnis sein.

"Was sich digitalisieren lässt, wird digitalisiert", konstatierte Christoph Engl von Brand Trust. Aber: "Chatbots sind nur technologische Helfer bei der Verarbeitung von Informationen. Menschen können sich nicht mit Technologie identifizieren." Entscheidend werde sein, dass sich „Destinationen nicht nur über Informationen und Daten abbilden, sondern emotionale Identifikationsflächen bieten - denn das will der Mensch." Das zu bieten, sei auch eine Form der Wertschätzung.

Für Mindness-Coach und Hotelier Bernd Reutemann ist "Digitalisierung eine große Chance für die Wertschätzung der Kunden aber auch der Mitarbeiter. Wir fragen unsere Gäste nach ihren Daten, um möglichst passgenau ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wertschätzung heißt für uns in beiden Fällen konkret Gutes tun."

Hotelier Christian Geissler vom Saalbacher Hof in Tirol ist überzeugt: "Bei aller notwendigen Digitalisierung von Abläufen wird es immer eine Nachfrage nach Herzlichkeit und persönlichem Kontakt geben. Diese Form der Wertschätzung müssen wir den Mitarbeitern geben, dann bringen sie auch den Gästen mehr Wertschätzung entgegen."

"Wertschätzung muss eine Haltung sein, Herzlichkeit hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck" formulierte Constanze Hilgers von der DZT. Aber: "Wir müssen uns zunächst auf die gemeinsamen Werte verständigen. Nur dann können wir auch wertschätzen."

Die digitale Transformation "zwingt mich, meine Kernaufgaben zu hinterfragen", bekannte Petra Stolba, die Geschäftsführerin der Österreich Werbung. Die Digitalisierung bedinge einen nahezu kompletten Unternehmensumbau: "Wir müssen noch stärker in Netzwerkstrukturen denken, systemisch arbeiten und vor allem eine Fehlerkultur entwickeln. Denn wir leben mitten im Zeitalter des Prototyping."

Tobias Woitendorf vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern verwies darauf, dass Wertschätzung der Mitarbeiter auch Vertrauen, Verantwortung, Freiraum und Fehlerkultur erfordere. "Wir müssen unser Führungsverhalten den neuen Bedürfnissen auch der Mitarbeiter anpassen."

"Digitalisierung scheitert im öffentlich-rechtlichen Tourismus oft an dem fehlenden Vertrauen der politischen Entscheidungsträger", kritisierte Geschäftsführer Ulrich Hüttenrauch von Oberallgäu Tourismus Service. Die rasanten technischen Fortschritte kontrastieren hier mit langen Vorlaufzeiten bei der Erstellung von Haushaltsplänen und den oft nur geringen finanziellen Entscheidungsrahmen der Touristiker.

Fazit der Diskussion nach 50 Minuten: Gerade in Zeiten der digitalen Transformation muss der Mensch nicht nur als Gast, sondern auch als Mitarbeiter, in das Zentrum unternehmerischen Handelns gestellt werden.

Und hier kommt die filmische Zusammenfassung von Tag 1! Die Videodokumentation 2017 wird am ersten Tag präsentiert von infomax websolutions, Traum-Ferienwohnungen und neusta destination solutions:

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